Stress aus der Sicht der TCM: Das Problem ist das, was er mit Dir macht

QiHai-Blog: Stress aus Sicht der TCM

1. der Tiger in Dir
Stress ist zunächst mal dominantes Yang
– oder auch: Sympathikotonus. Der Sympathikus übernimmt, die klassische Stressreaktion, induziert durch Stresshormone (Adrenalin, Kortisol…) als Reaktion auf den „Tiger“ (jede äußerliche Herausforderung). 

Die Folgen: Erhöhter Muskelstonus, Blutdruck und Blutzucker, erhöhte Herz- und Atemfrequenz, erhöhte Wachsamkeit und „Flucht- bzw. Kampfbereitschaft“. 
Diese aufsteigende Aktivität von Wahrnehmung und Wachsamkeit, Herz und Lunge bezeichnet in der TCM ein „aufsteigendes Yang“.  
Was ursprünglich, im Anbetracht des Tigers, sinnvoll erscheint: Die Verdauung wird runtergefahren, ebenso wie die Sexualität – vor dem Tiger wäre beides wenig empfehlendwert. 😉 Bei längeren Stressphasen erklären sich hiermit aber die Begleitsymptome… 
Stress ist im positiven Sinne die Freisetzung von Energie für unsere Höchstleistung, ein „Flow“, wie bei einem Hochleistungssportler, der zu seiner Bestform „hochläuft“… Soweit – so positiv!

Besteht diese Yang-Phase aber zu oft oder zu lange ununterbrochen, spricht man in der TCM auch von „Hitze“ – wenn es weit fortgeschritten ist, sogar von „Leere-Hitze“ (das wäre dann soz. der „Kolbenfresser“ unter den Hitze-Geschehen…) Die ursprünglich sinnvollen und physiologischen Stress-Reaktionen werden zu Symptomen: Unruhe, Reizbarkeit und Ungeduld, Schlafstörungen, Herz-Rhythmusstörungen, Bluthochdruck… Auch entzündliche Erkrankungen (u.a. im Magen-Darm-Bereich) können aus dieser „Hitze“ ihren Ursprung nehmen.

2. Das leere Glas
Der drohende Burnout: Die Erschöpfung der Niere-Energie (Nieren-Yang)

Wer zu viel Energie (Yang) verbraucht, lebt über seine Verhältnisse und geht irgendwann an die (eigene) energetische Substanz – und die liegt laut TCM in den Nieren.

Die „Nieren-Energie“, laut TCM die reinste und höchste, ureigenste Lebensenergie, ermöglicht zwar einerseits Höchstleistungen. Es ist übrigens auch diese Energie, die beim (zu extremen) Fasten verbrannt wird, was nach Ansicht der TCM gerade die Erklärung für das häufig genannte Hochgefühl beim Fasten ist. Man ist scheinbar zu allem in der Lage, ohne Hunger, ohne Schlafbedürfnis, was vorübergehend den Eindruck von „Superkraft“ erweckt. Doch diese „Kernenergie“ ist leider nicht so regenerationsfähig wie die, auf die wir im Normalbetrieb zurückgreifen und die man durch essen und schlafen relativ schnell wieder „auftanken“ kann. Wer mit seinem Qi nicht haushaltet und dauerhaft „auf Pump“ lebt, der geht im wahrsten Sinne des Wortes an seine Nieren. 

Dieser (meistens chronische) Prozess dauert zwar länger auf dem Hinweg – aber leider auch auf dem Rückweg. Und letztlich kostet es (nicht nur nach Ansicht der TCM) Lebensjahre!
„Anti-Aging“ geht anders.

Bemerkbar macht sich das durch Erschöpfung und Antriebslosigkeit, Schwäche und Schmerzen im unteren Rücken und ggf. den Knien, Tinnitus und/oder einen Hörsturz oder Störungen der Sexualität und sogar Angststörungen (aus TCM-Sicht klassische Nieren-Zeichen), die oft mit einem schleichenden Burnout einhergehen.

Wer einmal so „im Minus“ ist, der braucht eine Vollbremsung, Erholung und Regeneration und muss danach dringend runterschalten und mit seinen Ressourcen haushalten lernen.

Es gibt aber aus Sicht der TCM noch einen Faktor, der aus dem Ruder laufen kann, diesmal in Richtung „zu viel“:

3. Der brodelnde Flötenkessel 
Unterdrückung und Frust  bedingt eine Leber-Qi-Stagnation. 

Sie passiert größtenteils auf psychischer und emotionaler Ebene. Die Unterdrückung von Tatendrang,  Antrieb und Entfaltung – laut der TCM die ursprünglich positive Energie der Leber – lässt diese stagnieren. In der TCM wird die Leber beschrieben als der „General“, der „die Truppen anführt“ und „in die Schlacht zieht“. Natürlich wohnt dieser Energie auch eine gewisse (physiologische und sinnvolle) „Aggressivität“ inne. Wird aber der Tatendrang des „Generals“ aufgehalten, kommt es zur „Leber-Qi-Stagnation“… Ganz unabhängig davon, wer oder was das Hindernis ist, ob es ein inneres oder ein äußerliches ist: Die unterdrückte Energie baut (An-)Spannung auf.

Hier entstehen u.a. viele der uns als „psychosomatisch“ bekannten Symptome, unter denen nicht nur Erwachsene sondern häufig auch Kinder und Jugendliche schon leiden können: Muskelverspannung, Rücken- oder Kopfschmerzen, Verdauungsstörungen, z.T. auch depressive Verstimmungen… 

Trifft dieser innere „brodelnde Flötenkessel“ nun auch noch auf Stress (s.o., die Yang-Phase, der Tiger…), kann das Ganze dekompensieren.

Unterscheidung bei der Prävention & Therapie:
Stress allein ist meistens nicht das Problem und meistens erst dann behandlungsbedürftig, wenn die Erschöpfung der Nieren oder die Leber-Qi-Stagnation noch dazu kommen.

Grundsätzlich ist es gut, Pausen zu planen und entsprechende Rituale in den Alltag bauen:  Yang braucht Ausgleich: Eine Yin-Phase… Gut essen, gut schlafen, mit seiner Energie haushalten und sowohl für körperliche als auch für geistige Erholung sorgen (z.B. durch Meditation, QiGong & Taiji)…
Den eigenen „Akku-Stand“ immer im Auge behalten – und Tiefenentladung vermeiden! 😉

Bei einer Erschöpfung der Nieren-Energie ist Aktionismus völlig kontraindiziert! Im Gegenteil, hier muss gehaushaltet werden, Ruhe und Erholung haben Priorität! Wer ständig „durchzieht“, wird sonst irgendwann von seinem Körper gebremst.  Auch tonisierende (stärkende) hochwertige Nahrungsmittel und Nahrungsergänzungsmittel (wie etwa Ginseng, Heilpilze u.a.) sind hier hilfreich.

Bei einer Leber-Qi-Stagnation sind solche Nahrungsergänzungsmittel mit Vorsicht zu genießen, sie würden u.U.  Öl ins Feuer gießen! Zudem sollte man bei der Ernährung an seine Leber denken, Scharfes und Hitze förderndes und u.a. Kaffee und Alkohol vermeiden.  Und es braucht ein Ventil für den „pfeifenden Flötenkessel“, eine Ausgleichs-Aktivität, denn durch Entfaltung (in welcher Form auch immer) vermeidet sich Frust. Es gilt also seine Energie in freie Bahnen zu lenken und positiv (und ungehindert) einzusetzen, das Leber-Qi fließen zu lassen und Stagnationen zu beseitigen, z.B. durch Bewegung und Sport:  Ausgleich durch positive Aktivität in jeglicher Form, erlaubt ist alles, was zu einem passt, Spaß macht und inspiriert!

Mens sana in corpore sano – und umgekehrt!