„Gib einem Hungernden einen Fisch, und er wird einmal satt, lehre ihn Fischen, und er wird nie wieder hungern.“
—  Laotse

Dieses Zitat, dieses Bild ist sicher eines der bekannteren von Laotse. Und es beschreibt eindrücklich und nachvollziehbar die Notwendigkeit von Eigenverantwortung, Selbstwirksamkeit (und Ressourcen) und Sinnhaftigkeit, die für ein eigenständiges, gesundes und erfolgreiches Leben notwendig sind. Diese Eigenschaften oder Fähigkeiten sind aber nicht nur in der von Laotse geprägten Philosophie ein zentrales Thema. Man findet sie eigentlich überall auf der Welt und zu ganz unterschiedlichen Zeiten, was ja bestätigt, wie universell und wie zeitlos sie sind. Immer wieder beschäftigen wir uns mit den Werten und Vorstellungen von einem gesunden und guten Leben und kehren dann doch (hoffentlich!)  immer wieder zu diesen elementaren Lebenseinstellungen zurück.

Was ich spannend und schön finde ist, dass das Wasser dabei als Bild so eine immer wiederkehrende Rolle spielt. Offenbar ist das ein Bild, dass uns gefällt und sich auch gut nachvollziehen lässt…

Andere Zeit, anderer Ort, sehr ähnliches Bild:

Stellen Sie sich vor,  Menschen fallen immer wieder in einen reissenden Fluss. Macht es Sinn, sie immer wieder mit grosser Anstrengung zu retten undn ans Ufer zu bringen, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie sie da hineingeraten sind und wie sie sich künftig selber helfen könnten? Die Rettungsaktionen verändern weder die Ursache noch verhelfen sie den Betroffenen zu Eigenständigkeit. Ein sinnvoller Schritt wäre es eher, diesen Menschen das Schwimmen beizubringen! 

Für die Jüngeren unter Ihnen könnte man das Bild so verkürzen:
#absaufenodermitschwimmen #Seepferdchen #mitdemStrom

Das Bild stamm aus der Salutogenese (Gesundheits-Entstehung bzw. -erhaltung) nach Aaron Antonowsky, (israelischer Medizinsoziologe, 1923-1994). Entstanden ist es bei der Untersuchung von Frauen auf ihre Anpassungsfähigkeit in den Wechseljahren, wobei u.a. auch deren KZ-Vergangenheit in der Anamnese erfasst wurde. Erstaunlicherweise stellte sich heraus, dass viele von den Frauen, die ein solches Grauen nicht nur überlebt haben, sondern dies auch in einem erstaunlich gutem Zustand, dabei eine hohe Anpassungsfähigkeit zeigten.

Die Idee ist, dass Gesundheit durch eine gesundheitsfördernde Lebenseinstellung entsteht, dem SOC (sense of coherence) oder Kohärenzgefühl, dem Zusammenspiel von Verstehbarkeit, Handhabbarkeit (also auch Ressourcen!) und von Bedeutsamkeit/Sinnhaftigkeit

Wobei diese Lebenseinstellung ein ewig dynamischer Prozess ist, denn Gesundheit ist kein statischer Zustand, sondern ständiger Veränderung unterworfen. Daher gilt es, mit Rücksicht auf individuellem Zustand, Tagesform und Timing stets „nachzusteuern“, um den eigenen Lebensstil an seine Bedürfnisse anzupassen, um so Gesundheit zu generieren (Salutogenese).

Dasselbe Bild findet sich übrigens in einem Zitat von Desmond Tutu:

„We’ve got to stop just pulling people out of the river.
We need to go upstream and find out why they’re falling in.“

Dieses Bild steht im Gegensatz zur Pathogenese (also der Entstehung von Krankheit), auf die nicht nur die Schulmedizin, sondern eigentlich die ganze westliche Lebenseinstellung hauptsächlich fokussiert. 

Der Vorteil liegt aber auf der Hand: Das Timing, die Selbstwirksamkeit und die Nachhaltigkeit – vom Kostenfaktor ganz zu schweigen… 

Das Bild vom „Fluß des Lebens“ kommt immer wieder in ganz unterschiedlichen Lehren, Weisheiten und Zitaten vor, jeder kennt es in irgendeinem Zusammenhang.  Auch eines meiner Liebslings-Filmzitate bedient sich daran:

„Wenn Du lange genug am Fluss sitzt, siehst Du irgendwann die Leiche Deines Feindes vorbeischwimmen…“
(Sean Connery in „Die Wiege der Sonne“; altes chin. Sprichwort). 

Zugegeben, es ist ein bisschen „martialisch“, und es wurde ja in einem martialischen Film verwendet, aber dennoch umschreibt es eine friedliche Haltung und betont die Tugend der Geduld und Zurückhaltung. Und wer sich in der Geduld üben möchte, die Dinge hinzunehmen, die er nicht ändern kann, und damit Frieden zu schließen, der sollte sich beizeiten mal an den Fluss setzen. – Und sein Messi-Herz leer machen (Anm.: gemeint ist das Meditieren ;-). 

Von hier aus könnte man übrigens (gem. dem Prinzip „Von Hölzchen auf Stöckchen“) wiederum auf das Thema Wuwei  zu sprechen kommen…

Das Element Wasser (und dessen Kraft) beschreibt in seinem Wesentlichen aber das Kap. 78  im Dao de Jing:

Nichts auf der Welt ist so weich und nachgiebig wie Wasser.

Doch zum Auflösen des Harten und Unbeweglichen ist nichts besser geeignet.

Das Weiche überwindet das Harte; 

das Sanfte überwindet das Starre,

Jeder weiß, dass dies zutrifft – aber nur wenige können danach handeln.

Nachgiebigkeit, Flexibilität (körperliche und geistige) und das Leben im Einklang mit der Natur sind eben nicht Zeichen von Schwäche, Rückgratlosigkeit oder weltfremder Hippie-Romantik, sondern eine notwendige und sinnvolle Selbstverständlichkeit, mehr denn je…

Ich wünsche Euch ein friedliches Weihnachten und einen guten Start in ein gesundes und glückliches neues Jahr 2023!