Ingwer: „Superfood“ – aber nicht für alle!
Wenn der Herbst zu uns kommt, bringt er Wind und Kälte mit und damit u.U. die erste Erkältung – und das Weihnachtsgebäck… Im Zeitalter von „Superfoods“ und dem Hype um Nahrungsmittel und Ernährungsberatung schleichen sich aber leider immer wieder Halbwahrheiten ein, die sich rasend verbreiten und hartnäckig halten – eine davon betrifft ein beliebtes Gewürz, das aus unseren Küchen kaum noch wegzudenken ist und bei uns eigentlich zu den Weihnachtsgewürzen gehört: Den Ingwer.
Zunächst mal: Es hat einen Grund, dass Ingwer (neben Zimt, Kardamon, Nelken, Orangenschalen usw.) zu unseren Weihnachts- und Plätzchen-Gewürzen gehört. Denn all diese Gewürze wärmen! Und gehören daher jahreszeitlich zu Herbst und Winter. Und wie das oft so ist: Ihre Wirkung zeigt sich nicht nur auf körperlicher Ebene, sondern bekanntermaßen auch psychisch, nämlich „stimmungsaufhellend“ – also passend für die „dunkle Jahreszeit“. Wer fühlt sich (beim Anblick des Sauwetters da draußen) vom Duft nach Weihnachtsplätzchen nicht getröstet?
Es macht also Sinn, sich – gern auch über den Umweg der TCM und der Wandlungsphasen oder der „Ernährung nach den 5 Elementen“ – wieder auf das Leben nach den Jahreszeiten zu besinnen. Sowohl hinsichtlich des Lebenswandels (schließlich muss es nach dem Sommer, der Aktivität, der „Outdoor-Zeit“, auch eine Zeit des Rückzugs, der Ruhe und der Regeneration geben) als auch durch eine (einheimische!) saisonale Ernährung, und dazu gehören im Herbst und Winter z.B. alle Wurzelgemüse, alle Kohlsorten, Kürbis, Äpfel u. Birnen, Nüsse, Trockenfrüchte… All das war vor noch 100 Jahren oder zu Zeiten unserer Großeltern eine Selbstverständlichkeit – wir entdecken diese Weisheit erst viel später wieder – aber eher weil wir uns fragen, ob es wirklich vertretbar ist, eine Erdbeere mitten im Winter quer über den Erdball zu fliegen…
Zurück zum Herbst und Winter: In der kühlen Jahreszeit steigt das Risiko für die erste Erkältung: Kälte dringt in den Körper ein und tangiert die Lungenfunktion (die maßgeblich für das „Wei-Qi“, das „Abwehr-Qi“ unserer Haut verantwortlich ist). Hier ist Ingwer oder Zimt angesagt, um durch kurzfristiges Anwärmen und Schwitzen die Körper-Oberfläche von Wind und Kälte zu befreien, die Erkältung also direkt am Anfang und an der Oberfläche wieder „rauszuwerfen“ aus unserem Körper. Wer also kalte Hände und Füße hat oder erste Erkältungssymptome wie Halsweh, Niesen, Kopfschmerzen o.ä., der kann in diesem Frühstadium eine Erkältung mit Ingwertee wirksam abwehren.
Der scharfe Geschmack gehört zum Element Metall, damit zum Herbst und zur Lunge. Er erhöht die Atmung und reizt die (Nasen-)Schleimhäute. Zudem haben die ätherischen Öle von Ingwer und auch Zimt durchblutungsfördernde, antivirale und antibakterielle Wirkung.
In der TCM wird noch einmal bewusst zwischen frischem und getrocknetem/gemahlenem Ingwer unterschieden: Sheng Jiang (Zingiberis rhizoma recens) ist der frische Ingwer.
„Temperatur“ nach TCM: warm, Geschmack: scharf
Funktionskreise: Lunge (auch Abwehrkraft) , Milz/Magen (Verdauung), Herz
Er ist wärmend, kräftigend und entgiftend.
Indikationen:
Ingwer wirkt wärmend, schweißtreibend, krampflösend, antiseptisch, durchblutungs- und verdauungsfördernd:
* Zum Erwärmen bei beginnender (!) Erkältung (Wind-Kälte), für eine frühe Abwehr,
* zur Stimulation des Atems und des Herzens,
* bei Übelkeit, Erbrechen (auch bei Reiseübelkeit/Seekrankheit, Schwangerschaftsübelkeit, in der Onkologie (Patienten, die durch die Übelkeit während einer Chemotherapie und dadurch mangelnde Ernährung noch zusätzlich geschwächt werden! Hier hilft Ingwer mindestens so gut wie übliche Antiemetika, jedoch ohne Nebenwirkungen). Oft reicht es schon, sich eine Scheibe frischen Ingwer nur auf die Zunge zu legen, um den Magen zu beruhigen,
* zur Erwärmung und Anregung der Verdauung im Magen,
* aber auch bei Magen-Darm-Infekten (ua. durch seine antibakterielle/antivirale Wirkung),
* sowie äußerlich (als Wickel oder noch besser als Bad) angewendet wirkt Ingwer entzündungshemmend und schmerzlindernd insbesondere bei Arthritis, rheumatischen Erkrankungen, u.a.!
Außerdem hemmt er die Thrombozytenaggregation und ist damit auch „blutverdünnend“.
Kontraindikationen:
Durch seine wärmende Wirkung sollte Ingwer nicht bei Hitze-Zuständen oder Yin-Mangel verwendet werden!
Bei fortgeschrittener Erkältung mit Fieber, Hitze, Durst und Röte ist Ingwer bereits absolut kontraindiziert – es wäre als würde man Öl ins Feuer gießen.
Ebenso bei Hitzezeichen wie starkes Schwitzen/Nachtschweiß, brennende Schmerzen im Oberbauch, Reflux/Magensäure, Gastritis (Magenschleimhautentzündung), Verlangen nach kalten Getränken, Unruhe und Schlafstörungen oder Hitzezeichen/Ausschlägen/Rötung auf der Haut.
Zudem ist Ingwer leicht blutdrucksteigernd!
In der Schwangerschaft ist besondere Vorsicht geboten: Einerseits hilft frischer Ingwer in Maßen gegen die Übelkeit in der Frühschwangerschaft – andererseits wirkt Ingwer u.U. wehenfördernd.
Die getrocknete Ingwerwurzel – Gan Jiang (Zingiberis rhizoma) wird in der TCM noch einmal getrennt betrachtet. Hier wirkt er stärker und noch konzentrierter (u. stärker wärmend) als frischer Ingwer – und sollte daher mit Vorsicht verwendet werden.
Mittlerweile hat man herausgefunden, dass Ingwer auch erhöhte Blutzuckerwerte regulieren – und damit in der Diabetes-Therapie Anwendung finden kann . Dabei können Ingwer-Extrakte die Aufnahme von Glukose in die Muskeln auch unabhängig von einer Insulingabe unterstützen. Da bei Diabetes Typ 2 die Glukoseaufnahmefähigkeit der Muskulatur aufgrund einer gestörten Insulin- Signalübertragung reduziert ist, lässt sich hier mit Ingwer offenbar die Aufnahme von Glukose vom Blut in die Muskeln fördern und der Blutzuckerspielgel reduzieren. (Klinische Studien hierzu stehen aber noch aus.)
Übrigens: Pfefferminz und Zitrone wirken kühlend! Zitronensaft ist also bei einer nahenden Erkältung aus Sicht der TCM völlig kontraindiziert!
Und wie immer gilt auch hier: Vorsicht und Balance. Die Dosis macht das Gift.